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Krebs, Zucker und ketogene Ernährung

Pionierarbeit in den 1940ern: Senkung des Blutzuckerspiegels kann Tumorwachstum hemmen

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Seit Otto Warburg ist bekannt, dass Krebszellen Zucker "lieben", also einen erhöhten Glukose-Verbrauch haben. Da sie beschädigte Mitochondrien aufweisen und Fette und teilweise auch Proteine nur in den Mitochondrien in Energie verwandelt werden können, verlassen sich die meisten Krebszellen zur Energiegewinnung fast ausschließlich auf den Abbau von Einfachzuckern (Glykolyse) und sind von Zucker als Energieträger abhängig.[1]

In jüngerer Zeit wird im Rahmen komplementärmedizinischer Behandlungsmethoden bei Krebspatienten auch mit Diäten experimentiert, bei denen der Blutzuckerspiegel über eine sog. ketogene Diät so niedrig wie möglich gehalten wird. Zweck der solchermaßen induzierten Hypoglykämie ("Unterzuckerung") ist es, den Stoffwechsel von Tumorzellen durch den Zuckerentzug zu bremsen und das Geschwulstwachstum zu hemmen.[2]

Wie ich aus einem Buch von Dr. med Dr. phil. Emil Scheller[3] erfuhr, setzten entsprechende Untersuchungen allerdings schon viel früher ein - im Labor eines deutschen Naturwissenschaftlers und Professors für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in München, der auch die erste klinische Studie dazu durchführte.

Über diese Versuche - das Tumorwachstum mittels einer quasi kohlenhydratfreien Ernährung plus Insulinspritzen zu beeinflussen, also über die maximale Senkung der Blutzuckerwerte, berichtet Dr. Scheller:

"Als Wesen des Krebses gilt allgemein nach Warburg die Dysoxybiose und Glykolyse. Der Zuckerabbau zur Milchsäuregärung zeigt eindeutig, daß Stoffwechselvorgänge in den Kohlehydraten die Hauptrolle spielen. Es dreht sich um den Zucker.

Eine Grundlage mit Beiträgen zum Krebsproblem hat Prof. Dr. Wilhelm Brünings in München schon 1941 gelegt und zunächst 'Über eine diäetetisch-hormonale Beeinflussung des Krebses'[4] seine Theorie und Praxis mitgeteilt.

Ausgangspunkt war die Beobachtung eines Diabetikers mit fortgeschrittenem Oberkiefertumor. Vor der Operation mußte der Diabetes erst länger klinisch behandelt werden. Zur großen Überraschung zeigte sich bei der späteren Operation, daß die Geschwulstteile größtenteils zum Verschwinden gebracht waren und nur ein geschrumpftes Gewebe übrigblieb.

Brünings entwickelte darauf eine sogenannte Entzuckerungsmethode für alle Krebskranken, bei denen er die Beeinflussung der Geschwulst durch Diät und Insulin mit den Augen genau verfolgen konnte. In einer zweiten Mitteilung von 1942 zeigte er anhand von 30 Krankengeschichten, daß die Entzuckerung als kohlehydratfreie Ernährung mit Insulinspritzen äußerst eindrucksvolle Allgemeinwirkungen hatte und als präoperative Behandlung und zur Unterstützung der Strahlenbehandlung zu gelten habe[5].

Wegen der Insulinbeigabe eignet sich diese Methode an sich nicht für die Praxis, da die Gefahr eines hypoglykämischen Schocks besteht. Die Einschränkung der Kohlenhydrate aber, d.h. eine strenge Diabetikerkost für Krebskranke, läßt sich auch in der Praxis und daheim durchführen."

Einzelheiten zu Prof. Brünings' klinischer Studie zur Beeinflussing des Tumorwachstums mittels Unterzuckerung

Bei den Recherchen zu diesem Artikel stieß ich zu meiner Überraschung auf eine Abhandlung aus dem Jahre 2019 von Dr. Rainer Johannes Klement, erschienen im Journal of Traditional and Complementary Medicine unter dem Titel "Wilhelm Brünings' Forgotten Contribution to the Metabolic Treatment of Cancer Utilizing Hypoglycemia and a Very Low Carbohydrate (Ketogenic) Diet" [Wilhelm Brünings' vergessener Beitrag zur metabolischen Therapie von Krebs mittels Hypoglykämie und streng kohlenhydratarmer (ketogener) Ernährung].[6]

Darin werden die Brüningsschen Experimente und deren Ergebnisse (die ermutigend und positiv - wenn auch überwiegend nur von kurzer Dauer - waren) in allen Einzelheiten dargestellt. Die Bedeutung derselben erhellt daraus, dass Ansätze, die auf Herstellung einer therapeutisch wirksamen Unterzuckerung zielen, incl. Insulinspritzen und ketogener Ernährung, gegenwärtig als komplementäre und integrative Krebstherapien erneut im Gespräch sind.

Fußnoten

1 Siehe auf Englisch The Prime Cause and Prevention of Cancer (Otto Warburg's discoveries).

2 Siehe auf Englisch On the anti-cancer effects of a low-calorie and/or ketogenic diet.

3 "Krebsschutz durch Früherkennung und Ursachenbehandlung", Kapitel Krebs und Ernährung. Dr. Scheller entwickelte u. a. den sog. Schellertest, einen Krebstest, der von Ärzten wie Dr. Dr. Johannes Kuhl erfolgreich angewandt wurde. Dieser soll feststellen, ob ein Mensch über eine intakte Zellatmung verfügt, und damit als Krebsfrühwarntest dienen.

4 Brünings W. Beiträge zum Krebsproblem. 1. Mitteilung: Ueber eine diätetisch-hormonale Beeinflussung des Krebses. Münchener Medizinische Wochenschrift 1941;88:117–23. Brünings war u. a. auch Erfinder endoskopischer Instrumente, die weltweite Verbreitung fanden.

5 Damals (vor Erfindung der Chemotherapie) galt die Radiotherapie plus Operation als der Goldstandard in der Krebsbehandlung, die damals (vermutlich aus ähnlichen Gründen wie heute) genauso verteidigt wurde wie heute die Kombination von Chemo-, Radio- und operativer Therapie.

6 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31193891/ (abstract) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6544614/ (free full text)

Klement arbeitet am Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus, Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, und ist (Mit)Autor einer Reihe weiterer Peer-review-Artikel zum Thema Kohlenhydratbeschränkung, ketogene Diät, Insulin und verwandte Themen in der komplementärmedizinischen Krebstherapie.

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